Schattenwesen tierisch begleitet
31. Mai 2025

Liebe*r Couchgalerie-Besucher*in,
Einladung zum Hinsehen
Schattenwesen tierisch begleitet und du bist eingeladen. Nicht zum Verweilen im Schönen. Nicht zur Flucht in ästhetische Harmonie. Sondern zum Hinsehen.
Diese Bilder zeigen keine Lichtgestalten. Keine Vorbilder. Keine Heldinnen.
Sie zeigen Verletzlichkeit. Schmerz. Verlorenheit. Verfall. Vielleicht auch etwas, das du lieber nicht sehen willst.
Und doch tritt in jedem Bild ein Tier auf. Bunt. Fröhlich. Unverschämt lebendig.
Ein Hahn, ein Huhn, ein Waschbär, ein Hund, ein pinker Vogel.
Sie tun nichts Großes. Aber sie sind da. Sie schauen. Halten aus.
Vielleicht halten sie dich aus. Vielleicht dich in deiner Dunkelheit.
Was sie dir sagen? Das entscheidest du. Vielleicht:
„Du bist nicht allein.“ „Ich sehe dich.“ „Auch hier darfst du sein.“
Diese Serie will dir nicht gefallen. Sie will dir etwas zeigen. Etwas in dir berühren. Vielleicht etwas, das du vergessen hast. Vielleicht etwas, das du verdrängst.
Aber vor allem: Sie lädt dich ein, wahrhaftig zu schauen. Ohne Filter. Ohne Urteil. Mit allem, was du bist. Hier sind sie, die Schattenwesen tierisch begleitet:
Verlassen – und nicht allein
Im Wartezimmer einer Klinikambulanz entdecke ich einen Bildband über Lost Places. Ich lasse mich gerne von solchen Orten ansprechen und beginne darin zu blättern. Ein Bild weckt sofort meine Aufmerksamkeit – ich fotografiere es ab.
Sofort lade ich es in die Canva-App und lasse die KI ein neues Bild daraus erschaffen. Den genauen Prompt weiß ich nicht mehr – es war vermutlich nicht viel –, denn ich lasse der KI meist viel Raum. Was sie daraus macht, berührt mich tief: Diese Frau entsteht, versteinert, verlassen, gebrochen. Darum setze ihr einen kleinen, bunten Vogel auf den Unterarm – als Begleiterin, als Zeichen von Trost. Auch ich bin getröstet.
Ein Engel im Moos
Irgendwie auf den Geschmack gekommen, fotografiere ich auf einem Waldspaziergang diesen kleinen Moos-Igel. Etwas an ihm spricht mich an – vielleicht seine Stille, vielleicht seine bemooste Stachelichkeit.
Zu Hause starte ich wieder dieselbe Prozedur: Ich fordere die KI heraus, aus dem Foto ein neues Bild zu machen. Was entsteht, überrascht mich – schon wieder. Dieser Engel, sanft, fragil, irgendwie verloren – und doch da. Ich bin berührt.
Sofort ist die Idee da, auch ihr ein Tier zur Seite zu stellen. Es soll grün sein – moosgrün, walddunkelgrün. Der Frosch mit dem Koffer erscheint und bleibt. Ich probiere noch andere Tiere aus, doch keins passt. Er bleibt. Vielleicht, weil er etwas mit sich trägt. Vielleicht, weil er weiß, wohin.
Die Hühnerfrau(en) – ein Selfie und der Mut zur Hässlichkeit
Später beginne ich zu experimentieren – diesmal mit einem Selfie, das mich mit unserem Huhn Dolores zeigt. Ich lade es in Canva AI hoch und gebe meinen Lieblingsprompt ein: „Mache daraus ein expressionistisches Bild.“
Vier Varianten spuckt das Programm aus – und ich muss erstmal schlucken. Diese Kapuzengestalten mit den übergroßen Brillen, der starren Haltung, den tiefen Falten, dieser Düsternis … nichts ist schmeichelhaft, nichts schön. Aber genau das trifft einen Nerv. Mut zur Hässlichkeit!, denke ich, und arbeite mit diesen Bildern weiter.
Der Waschbär-Mann: Unnahbar – und doch verbunden
Eine der Kapuzenfiguren lässt mich nicht los. Diese Figur: männlich, kantig, unnahbar. Vielleicht erinnert sie mich an jemanden. Vielleicht auch an eine innere Gestalt. Der Ausdruck bleibt schwer zugänglich – diese Kapuze, diese Brille, dieser Blick, der keiner ist. Eine dunkle Präsenz. Verschlossen. Abgekehrt.
Doch die Figur lass ich damit nicht alleine. Über eine gelbe Schnur ist sie verbunden – mit einem Waschbären auf einem Hoverboard. Der ist wach. Neugierig. Bereit. Sein Blick ist direkt und unbeirrbar – fast so, als wolle er den Betrachter prüfen. Oder schützen. Vielleicht ist er ein Wächter. Vielleicht ein Gefährte. Was auch immer diese Figur durchlebt: Der Waschbär weicht nicht. Er hält die Balance.
Die Kapuzenfrau mit Hahn – Widerstand und Wache
Diese Frau macht keine Kompromisse. Sie steht da – barfuß, unbewegt, entschlossen. Ihr Kleid ist nicht weich, sondern fest wie ein Panzer. Ihr Blick sagt: Komm nicht näher. Sie ist in sich gekehrt – und doch in Alarmbereitschaft.
Der Hahn vor ihr scheint das zu spiegeln. Kampflustig, stolz, bereit zum Sprung. Er ist kein Kuscheltier – er ist Wächter, Zeuge, vielleicht auch Stellvertreter.
Hier geht es nicht um Trost. Sondern um Haltung.
Kapuzenfrau, Huhn und Hund – die Schlafwache
Fast dieselbe Szene wie zuvor – dieselbe Frau, derselbe Raum? Doch etwas hat sich verändert.
Dieses Bild hat mein Mann kreiert – als Antwort auf meine vorherigen Bilder?!
Wieder eine Kapuzenfrau – ohne Brille, älter, gedrungener, diesmal mit Huhn und Hund.
Ein schlafender Hund, ruhig, warm, schwer. Ein wachsames Huhn, hellwach und präsent. Ein gelbes Kissen wie ein Zeichen der Geborgenheit.
Die Frau steht wie immer: reglos, kontrolliert, hart. Doch sie wirkt verändert – wie eine Wächterin. Was ist hier Schutz, was ist Nähe, was ist Bedrohung?
Der Dreiklang aus Frau, Tier und Raum?
Eine Szene der Wache, des Wartens – und vielleicht der inneren Anspannung.
Die Frau steht. Das Huhn beobachtet. Der Hund schläft.
Drei Zustände. Drei Haltungen zum Leben?
Und was hat das mit mir zu tun? Mehr als ich vielleicht ahne.
Denn ich erkenne mich in jedem von ihnen: In der Wache der Frau. In der Präsenz des Huhns. Im Wunsch nach Ruhe im Hund.
Ein gemeinsames Bild. Ein Gespräch – in Symbolen, in Tieren, in Schatten und Raum.
Die Hühnerfrau – Verschmelzung mit dem Schatten
Noch ein weiteres Motiv. Es zeigt, wie es ist, wenn die Begleiter weichen und Grenzen sich auflösen.
Die Figur hockt – halb Mensch, halb Huhn – in einem dunklen, engen Spalt zwischen Hauswand und Nacht. Der Körper ist schwarz gefiedert, die Füße übergroß und bleich, das Gesicht ist zur Hälfte Maske, zur Hälfte Schnabel. Der Blick ist abgewandt – nicht erschrocken, sondern wachsam, auf dem Sprung.
Der tierische Begleiter ist hier kein externer Trostspender mehr. Er ist zur Haut geworden. Die Verschmelzung zeigt: den Verlust von Trennung zwischen innerem Schatten und äußerem Ausdruck, eine Transformation, die auch Verstörung erlaubt, eine tiefe symbolische Vereinigung von Animalischem, Groteskem und Identität.
Verstörend schön, könnte man sagen. Und: nicht mehr rückgängig zu machen. Am Ende verwandelt sich alles: Der Schatten wird nicht mehr begleitet, sondern gelebt.
Wie sieht dein innerer Schatten aus, wenn du ihm ganz nah kommst? Welche Kräfte entfalten sich, wenn du dich nicht mehr abgrenzt, sondern verwandelst?
Liebe/r Galeriecouch-Sitzer/in,
wie ging es dir mit diesen Bildern und Themen? Warst du gebannt, erschrocken, berührt – oder innerlich auf der Flucht vor den tierisch begleiteten Schattenwesen?
Mich selbst hat diese Serie herausgefordert – und zugleich beglückt. Weil sie mir erlaubt hat, Schattenwesen zu zeigen, die mich (und vielleicht auch dich?) bewegen.
Tierisch begleitet, treten sie aus dem Inneren ans Licht – fremd und vertraut zugleich.
Was würde erscheinen, wenn du deinem eigenen Schatten ein Bild gibst? Welche Gestalt? Welche Haltung? Welches Tier an deiner Seite?
Wenn dich das Dunkle berührt hat – such gern das Helle. In anderen Beiträgen auf diesem Blog findest du auch Licht, Farbe und versöhnliche Schönheiten.